Aus allen Teilen des Sudetenlandes wurden in den verschiedensten Vertriebenenzeitungen Berichte über die tschechischen
Gewaltdaten gebracht; aber ich vermisste bisher einen ausführlichen Tatsachenbericht aus dem Kreise Trautenau, obwohl auch hier, insbesondere die in der AEG stattgefundenen
tschechischen Schandtaten zum Himmel schreien, und denen in anderen Kreisen in nichts nachstehen.
So will ich denn versuchen, meine diesbezüglichen traurigen Erinnerungen in
einigen Einzelheiten niederzuschreiben, nicht zu dem Zwecke, aufs Neue Hass
zu säen, sondern um diese Greueltaten festzuhalten für nachfolgende Generationen.
Viele dieser Scheußlichkeiten sind bereits nach den vergangenen sechs Jahren
verblasst, und so kann ich mit gutem Gewissen behaupten, dass alle diesbezüglichen
Schilderungen mit gemäßigter Abgeklärtheit wiedergegeben sind.
Die schlimmste Zeit des tschechischen Terrors im Kreise Trautenau fällt auch
hier in die Monate Juni und Juli 1945. Am 03.06.1945 wurden wir (etwa 25 Kameraden,
darunter 4 Frauen) in einem vierstündigen Fußmarsch von M. nach Trautenau in
der größten Sommerhitze getrieben. Fußkranken wurde mit Kolbenstößen nachgeholfen.
Mitleidige Passanten, die diesem Elendszug begegneten, wurden mit angelegtem
Gewehr verhalten, weiterzugehen und von uns wegzusehen. Müde in Trautenau angelangt,
mussten wir bei einem niedergehenden Gewitter mit Hagelschlag ungeschützt noch
2 Stunden im Fabrikhofe der ehemaligen Faltisfabrik AEG stehen.
Die Hüte wurden uns von den Köpfen geschlagen, damit wir auch die Hagelkörner
in ihrer vollen Wucht verspüren sollten. Der fußmarode Kamerad R., der sich
nicht mehr auf den Beinen halten konnte, fiel auf einen der dort befindlichen
Sandhaufen nieder. Als dies einer der tschechischen Kulturjünger bemerkte, eilte
er auf ihn zu, warf den Entkräfteten vollends um, entriss ihm den festen Eichenstock
und hieb unbarmherzig mit allen Kräften beidarmig auf ihn los.
Endlich wurden wir in einen Fabriksaal getrieben, Uhr, Geld, Messer und Papiere
wurden uns abgenommen. Der Raum war unheimlich dunkel, denn alle Fenster waren
mit Brettern verschalt, so dass wir von der Welt luft-, licht- und schalldicht
abgeschlossen waren. Die Luft war verbraucht und stickig. Erst jetzt gewahrten
wir am anderen Ende des Saales etwa 80 Männer aus Trautenau. Sofort fiel uns
ihr verängstigtes und eingeschüchtertes Wesen auf. Sie flüsterten uns später
zu, dass sie uns bedauerten, auch in diese Hölle geraten zu sein, und doch konnte
man bei ihnen ein leises Aufatmen heraus hören, das wir uns erst später erklären
konnten; da sie wussten , dass nun die Qualen nach dem bekannten Sprichwort;
"Geteilter Schmerz ist halber Schmerz" von uns mitgetragen würden.
Ja ich muss leider gestehen, dass es uns später selber so ging; denn immer,
wenn neue Trupps Gefangener eingeliefert wurden, war es insofern eine Erleichterung
zu verspüren, da sich die ganze Wut tschechischer Schergen auf die Neulinge
entlud.
Ununterbrochen wurden aus allen Teilen des Kreises Männer mit Gummiknüppeln
und echt tschechischem Stimmaufwand hereingetrieben. Noch am gleichen Tage war
der Saal überfüllt. Der harte Zementfußboden war durch Wochen hindurch unser
Lager, und erst am zweiten Tage gab ersten schwarzen Kaffee. Schlimmer als die
körperlichen Züchtigungen waren die furchtbaren sanitären Zustände. Infolge
des Genusses schlechter Nahrung, die man uns gegeben, erkrankten alle an Durchfall.
Die Notdurft musste im finsteren Saale verrichtet werden. Da gab es erst nur
3 offene Kübel (später waren es 8 bis 10) für 250 bis 300 Mann. Der Gestank
wurde unerträglich, denn nur ein kleiner Flügel des einzigen unverschalten Fensters
durfte geöffnet werden. Die Kübel erwiesen sich als viel zu klein und liefen
über, durften aber erst am nächsten Tage entleert werden. An Schlaf war trotz
Müdigkeit wegen ständiger gegenseitiger Störung, hervorgerufen durch den argen
Platzmangel, in den folgenden Nächten nicht zu denken. Ferner musste jeder gegenwärtig
sein, aufzuspringen zu müssen, sobald einer der tschechischen Türwärter in den
Saal kam. Und das taten diese nur allzu oft, um uns nicht zur Ruhe kommen zu
lassen. Wehe demjenigen, der in seinem Traumzustande nicht rechtzeitig in Habachtstellung
kam. Er wurde Anlass zu einer Prügelstrafe, für die anderen aber bedeutete es
den Beginn einer Reihe turnerischen Übungen. In Schweiß gebadet warfen wir uns
wieder auf das harte Lager. Glaubte man nun endlich einschlafen zu können, so
stolperte einer nach dem anderen, der es zum Kübel eilig hatte, fluchend in
der Finsternis über die Beine der anderen. Am frühen Morgen mussten alle mit
entblößtem Oberkörper im Laufschritt (po klus) zum Waschraum eilen. An der offenen
Saaltür standen 2 Tschechen, die mit ihren Gummiknüppeln jeden Durcheilenden
zu treffen suchten. Da mich kein Fett am raschen Laufen hinderte, gelang es
mir geschickt den Schlägen auszuweichen. Ich wurde jedoch zurückgeholt und erhielt
nun einen Hieb über die Schläfe, dass ich betäubt zusammenbrach. Ich wurde blutüberströmt
in den Waschraum geschleppt und mit kaltem Wasser überschüttet. Eine Schramme
ziert noch heute mein Gesicht und hält die Erinnerung an diese tschechische
Heldentat in mir dauernd wach.
Diese Waschräume hatten es überhaupt in sich, denn es waren die eigentlichen
Prügelkammern, und die immer schwächer werdenden Schreie der dorthin gebrachten
Unglücklichen ließen uns das Furchtbarste ahnen, und wir warteten vergebens
auf ihre Rückkehr. Ein trauriges, oder sollte man lieber sagen ein gütiges Schicksal
hatte sie von allen Quälereien für immer erlöst.
Hörten wir an der Eisentür die Schlüssel rasseln, dann war es ratsam aufzuspringen,
um nicht durch eine verspätete Bewegung die Wut des kleinen Kommandanten Chramosta
zu reizen, der, wie übrigens alle Tschechen, von sich behauptete, im deutschen
KZ gewesen zu sein und an uns ausprobierte, was er selbst erlebt haben wollte.
Aber nie hat uns einer dieser Helden verraten, aus welchen Gründen er in diesem
KZ gelandet war. Standen nicht alle Kameraden regungslos nach seinem Wunsch,
dann ging es minutenlang "nieder!" "auf nieder!".
Auf die Körper der Liegenden springend, eilte er dorthin, wo einer oder der
andere dem raschen Kommando nicht folgen konnte und half mit seinem Gummiknüppel
nach. Dabei feuerte er mit seinem Revolver über unsere Köpfe hinweg, und oft
habe ich mich gewundert, dass durch die herumklatschenden Kugeln niemand verletzt
wurde. Amüsant ist die Tatsache, dass dieser Tyrann eine Französin zur Frau
hatte, mit der er sich nur in der von ihm verhassten deutschen Sprache verständigen
konnte, die er uns, unter Strafandrohung zu sprechen verbot.
Betrat dieser Kommandant den Saal, so musste der hier ebenfalls eingesperrte
Leiter der ehemaligen AEG namens Berger, vor ihn hintreten und sein "hlasim
se" (ich melde mich) rufen, worauf er jedes Mal nach Empfang zweier kräftiger
Ohrfeigen in die Reihe zurück taumelte. Bereits in der ersten Nacht wurde mit
herabgefetzter Kleidung und aus vielen Wunden blutend unter furchtbarem Geschrei
ein kräftiger Mann (ich glaube, dass er Kneifel hieß und aus dem südlichen Teile
des Kreises stammte) hereingeschleppt. Gerade vor meinem Lager musste er stehen
bleiben, seine Kleiderreste wurden ihm heruntergefetzt und er dann verprügelt.
Ich und mein Lagerkamerad waren ganz mit Blut bespritzt. Auf den Zehnspitzen
stehend, mit hochgehobenen Armen musste er nackt die ganze Nacht zubringen.
Sobald seine Kräfte nachließen, stürzte der am Türloch beobachtende Wachposten
herein und frischte seine Kräfte mit einem Knüppel wieder auf.
Am 09. oder war es am 13. Juni (den furchtbarsten Tagen in meiner Gefangenschaft)
lag ich nach einem Ohnmachtsanfall auf einer Drahtpritsche als dieser erwähnte
Kamerad ebenfalls in meiner nächsten Nähe seine letzten Schläge erhielt und
tot zu Boden stürzte. Die hier übliche Methode, mit einem Kübel kaltem Wasser
nachzuhelfen, versagte hier. An den Füßen wurde er tot hinausgezerrt. An ähnliche
Prügelszenen mit Wasserkur kann ich mich noch an mehrere erinnern, doch möchte
ich die Namen der Unglücklichen verschweigen. Da später noch ein zweiter und
dritter Saal mit Häftlingen belegt wurde, dürften sich auch dort die gleichen
Szenen abgespielt haben, die sich jedoch meiner Kenntnis entziehen. Zwei Fälle
möchte ich aus diesen Schreckenstagen noch herausgreifen:
Da war auch ein gebürtiger Franzose in dem Betriebe der ehemaligen AEG beschäftigt
gewesen, der angeblich der SS angehörte. Er wurde von dem Stellv. Kommandanten
Prochaska so verprügelt, dass er die Sprache verlor und verblödete. Kam der
Schinder in den Saal, so sprang der unglückliche Franzose auf seinen Peiniger
zu, umarmte und streichelte ihn und wollte nicht von seiner Seite weichen. Das
war selbst diesem Unmenschen zuviel. Und er suchte seine Untat und Rohheit durch
Güte auszugleichen. Schon nach einigen Tagen war der Franzose aus unserem Saal
verschwunden, und ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich annehme, dass man sich
diesen gefährlichen Zeugen, bei dem sich nach und nach wieder die Sprache einstellte,
gewaltsam entledigte. Auf einen Mord mehr oder weniger kam es in dieser Zeit
den Banditen nicht an. Der zweite Fall: Eines Tages wurden 3 Hitlerjungen
im Alter von 15 18 Jahren eingeliefert, die aus ihrem Frondienst bei
tschechischen Bauern infolge schlechter Behandlung getürmt waren. Über eine
Bank gelegt, erhielten sie zunächst 50 Hiebe mit dem Gummiknüppel. Während die
zwei älteren schon nach mehreren Schlägen aufheulten und halb ohnmächtig zu
Boden sanken, verbiss der Jüngere mutig alle Schmerzen ohne einen Laut auszustoßen,
bis die beiden Tschechischen Unmenschen, die einander in ihren Kraftleistungen
ablösten, von selbst ermüdeten. Nun erst trat der bereits erwähnte Bluthund
Prochaska in Aktion. Ein Junge nach dem anderen wurden auf einen Stuhl gedrückt,
der Kopf desselben bei den Haaren durch einen Gehilfen nach hinten gerissen,
und nun schlug der Kulturheld Prochaska mit einer Riemenpeitsche, mit eingenähten
Metallspitzen abwechselnd von links nach rechts gegen Hals und Brust der Gefolterten.
Erst färbte sich der Hals der Unglücklichen rot, dann blau, bis zuletzt das
Blut aus den Striemen hervorspritzte; dann gaben sich die Bluthunde erst zufrieden.
Wut und Zorn, aber auch Tränen spiegelten sich in unseren Gesichtern wieder
bei dem Gedanken, dass solche und ähnliche Kulturtaten vielleicht zu gleicher
Zeit an unseren unbeschützten Söhnen sich wiederholten und ungestraft geduldet
werden mussten. Wer all dies mit angesehen, miterlebt hat, kann diese ungeheuerliche
Geschehen niemals vergessen wohl aber sollten wir
stark genug sein, jeden Rachegedanken für immer zu unterdrücken, damit wir nicht
auf jener Kulturstufe landen, die wir so verachten gelernt haben.
Bei der Schilderung dieser Zustände will ich jedoch den Gipfel all dieser Quälereien
nicht unerwähnt lassen, die von uns besonders gefürchtet waren und einem Wild-West-Zirkus
alle Ehre gemacht hätten. Obwohl uns dabei nicht zum Scherzen war, nannten wir
diese Veranstaltungen unter uns "Parteikränzchen", da zu ihrer Bestreitung
einmal die SS oder SA, dann wieder alle Parteifunktionäre oder Volkssturm aufgerufen
wurde. Veranlassung zu diesen Zirkusdarbietungen bot meist der Lagerbesuch durch
Juden oder andere prominente tschechische Gäste, die hier in der AEG umsonst
ihren fanatischen Deutschenhass einmal durch persönliche Mitwirkung freien Lauf
lassen konnten.
Unter dem Ruf "vsecky ven" (alle heraus) ging es im Laufschritt unter
Peitschenhieben die Gänge entlang, die Stiegen hinab auf den Fabrikhof. Die
Gäste hatten das Recht, mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln bei dem
Auf- und späterem Abtrieb, dieser deutschen Viehherde mitzuwirken. Ich brauche
wohl nicht erst besonders zu erwähnen, dass sich keiner der hohen anwesenden
Gäste dieser Mitwirkung entzog.
Für diese Vorführung bestand meist schon ein festes Programm, das ich hiermit
den Lesern nur in groben Umrissen zur Kenntnis bringen kann. Die Kommandos erfolgten
selbstverständlich tschechisch; wer sie nicht verstand, lernte sie in Kürze
durch das Vorbild der anderen. War einer aus irgendwelchem Grunde der Übung
nicht gewachsen, durfte er bestimmt auf die freundliche Mithilfe des Publikums
durch Fußtritte, Schläge mit Zaunlatten oder Steinwürfe unbedingt rechnen. Im
großen und ganzen war es nicht nur eine "Hetze" für uns Deutsche,
sondern auch eine "Mordshetze" für Gäste und Veranstalter.
Waren wir im Hofe wie Turner aufgestellt, begann der Zirkus mit "auf!"
und "nieder"! Erst schön langsam, dann immer schneller. Da wurde den
Gästen zum Erstenmal warm, da sie sich beeilten, den zu Langsamen auf ihre Weise
zu helfen. Plötzlich erscholl das Kommando "tocit se" (um die eigene
Achse drehen). Mit Peitschen wurden wir in immer schneller werdendem Tempo wie
die bekannten Kinderkreisel in den unwillkürlich einsetzenden und bezweckten
Schwindel der Sinne versetzt, um dann bei dem folgenden Befehl "na zem"
(zur Erde) nach allen Richtungen zu Boden zu stürzen. Kreuz und quer fielen
wir unter großem "Hallo" der Zuschauer über- und gegeneinander, traten
uns gegenseitig mit den Füßen oder schlugen uns an den ringsum abgestellten
Autoruinen die Köpfe blutig. Dann folgte in der Reihe der Volksbelustigungen
das Froschhüpfen um den Fabrikhof. Versuche es doch jeder durch zehn Minuten
bei vorgesteckten Armen diese anstrengende Übung durchzuhalten! Dafür folgte
dann eine ausgleichende, bequeme Übung, das "rovolat"! Da durften
wir mit ausgestrecktem Körper über den Hof um die eigene Achse rollen. Besonders
reizvoll gestaltete sich diese Übung bei Regenwetter. Korpulente Kameraden wurden
dann dazu ausersehen, in einer Sonderschau die reichlich vorhandenen Pfützen
durch Wälzen aufzusaugen. Dass wir alle durch unser verdrecktes, mohrenhaftes
Aussehen einen "Extra Applaus" ernteten, ist leicht einzusehen. Auf
und nieder, Liegestütz und dgl. bildeten weitere Zwischenübungen. Zuletzt erfolgte
die gemeinste und erniedrigendste Zumutung. In zwei losen Reihen, mit den Gesichtern
gegeneinander gestellt, mussten wir uns auf Kommando ohrfeigen und anspucken.
Scharf wurden wir dabei überwacht, und wehe dem, der dabei ertappt wurde, nach
Art des August im Zirkus Schlag und Schlag nur vorzutäuschen. Er wurde mit seinem
Partner herausgestellt und musste nun seine Kraft vor seinem strengen Richtern
unter Beweis stellen. Einem Kameraden wurde dabei sein künstliches Gebiss in
weitem Bogen herausgeschlagen. Als Zugabe unserer Darbietungen wurde der "kotrmelec"
(Purzelbaumschießen) den Gästen präsentiert, natürlich dort, wo die gröbste
und spitzigste Schlacke lag. Als zehn- bis zwölfjähriger Junge war ich stets
verzweifelt, dass mir kein Purzelbaum gelang, und erst als Vierundfünfzigjähriger
habe ich in meiner Verzweiflung das bekannte Sprichwort: "Was Hänschen
nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" zuschanden gemacht. Und wenn ich nicht
die Kopfhaut voller Wunden gehabt hätte, ich hätte auf diese Leistung stolz
sein können. Unter Lärm und Schmährufen, die hier zu wiederholen ich mich schäme,
jagte man uns zurück. Abgehetzt und abgestumpft suchten wir dann an den sich
wie rasend gebärenden Gästen, die noch einmal ihren vollen Deutschenhass in
ihre Schlaginstrumente hineinlegten, vorbeizukommen, und es war für jeden eine
Erlösung, wenn er wieder den stinkenden Saal erreichte und sich zur kurzer Ruhe
hinwerfen konnte.